Gaardener Notizen: Kulturrotation 143
Von Thilo Pfennig
Ein Beitrag zur Gentrifizierungsdebatte in Gaarden 2023/2024
In der aktuellen Entwicklung in Kiel geraten einige Dinge oft durcheinander und auch manche Details in Vergessenheit. Es ist dabei auch wichtig manche Aspekte
Ich hatte diesen Beitrag im Dezember 2023 angefangen und hatte auch vor, im Vorfeld und mit dem Thema der Kultur in Gaarden / Kulturrotation143 eine Veranstaltung durchzuführen. Ich habe letztes Jahr mit anderen zusammen die Kulturinitiative Gaarden (auch hier gehostet) gegründet. Allerdings war innerhalb der Gruppe die Skepsis groß, ob wir das leisten können und sollen und die Bitte dann dafür das Büro Soziale Stadt anzusprechen. Auch seitens der K34/ONspace gab es dazu eine Absage. In beiden Fällen: Keine Kapazitäten.
Von daher habe ich dann den Plan verworfen. Allerdings hörte ich dann wieder über zwei Ecken, dass das Subrosa Veranstaltungen planen würde und wurde auch gefragt, ob das meine Initiative ist. War und ist es nicht.
Kulturrotation
Im Internet und social media wurde die falsche Erzählung verbreitet, die Kulturrotation sei ein Plan aus dem Programm „Gaarden hoch 10“. Das ist falsch. Ich erinnere mich, dass viele Akteur:innen in Gaarden angesprochen wurden, weil man mit „Gaardener Kultufrühling“ (und davor „Gaardener Kutlurtage“) unzufrieden war. Es gab nicht so viel Beteiligung. Und man wollte seitens der Büro Soziale Stadt einen Neustart. Und hatte dazu eine Beteiligung organisiert. Ich hatte damals nur meine Gedanken hingeschickt, zu der Idee etwas wie „48H Wilhelmsburg“ in Gaarden zu machen.
Ich habe hier sogar noch meine Originalmail vom 5.11.2017 Betreff „Kulturfrühling“ aus dem ich hier zitieren möchte:
wir konnten dann ja den Gesprächsfaden nicht fortsetzen. Ich bin skeptisch, ob das Konzept erfolgreich sein kann. Weil entweder muss die Stadt das Geld reinstecken, oder es muss zum Selbstläufer werden.
Ich glaube es ist zu unklar, was der Gaardener Kulturfrühling sein soll. “Irgendwas” mit Kultur, aber wer füllt es dann mit Inhalten? Euer Ansatz ist ja eher sowas wie Anstöße zu geben und Hilfe zur Selbsthilfe. D.h. ihr habt gar nicht das Geld und die Leute, da den ganzen Kulturfrühling zu organisieren. Prinzipiell denke ich aber auch, dass es Gaarden gut tun würde, wenn echtes Geld für gute Sachen bereitgestellt würden. Das aber entscheidet dann ja die Landesregierung oder die Stadt Kiel. Und in Gaarden selbst verschieben wir das wenige Geld immer nur von A nach B. Und man ist oft froh über die wenigen Aktiven oder highlights, wenngleich das Potential groß ist. Das Futur3Festival in der Innenstadt wurde ja auch zum Großteil von Gaardener Künstlern kuratiert, bzw. ehemaligen Gaardenern.
Und dann gibts da die K34 und das Werftparktheater aber darüber hinaus nicht viel mehr (Räucherei von der AWO). (…)
Vielleicht wäre es daher auch wichtig Impulse und Künstler nach Gaarden reinzubringen. Dazu fällt mir ein: Die Malaktion auf dem Brunnenfest - da war die Wahrnehmung ja, dass es da ein großes Bedürfnis und Defizit gibt bei Kindern. Das gilt vielleicht für viele Kunst-Teile, also Bildende Kunst, Musik, Tanz,…
Vielleicht wäre es aber auch wichtig, dass Gaardener auch mehr aus dem eigenen Viertel rauskommen, um dann wieder etwas mitzunehmen? …
Gaarden hoch 10
Dazu wollte ich eigentlich auch schon länger eine Analyse machen. Soweit ich es richtig gezählt habe sind es rund 68 Projekte, die aufgelistet werden.
Hiere eine CSV-Datei
(Ich komme aber jetzt vor Ende Mai nicht dazu darauf genauer einzugehen)
Kulturrotation 2024 und German Naval Yards
Mitte Mai 2024 erfuhr ich allerdings, dass dieses Jahr German Naval Yards des Stadtteilfestes ist. Dieses Sponsoring widerspricht Aussagen, die mir gegenüber gemacht wurden, dass nämlich die Kulturrotation rein aus städtischen Geldern finanziert werden würde. Bereits vor Jahren gab es Behauptungen, dass Vonovia Sponsor gewesen wäre. War aber nicht der Fall. Klang aber gut.
Ich bin ja sehr für Kritik, finde aber man sollte das gut recherchieren und vor allem nicht ggf. wissentlich etwas Falsches behaupten und auch zugeben, wenn etwas nicht stimmt. Es gibt bereits ausreichend Fake News.
Meine Haltung dazu ist nun die:
- Ich finde Waffenproduzenten sollten keine Sponsoren für Stadtteilfest sein in einer Demokratie
- Solches Sponsoring muss vorher rechtzeitig diskutiert und kommuniziert werden.
- Dieses Sponsoring schadet dem Stadtteil Gaarden und hat den Ruf der Kulturrotation nachhaltig beschädigt.
Es ist eben nicht egal, wo das Geld herkommt.
Einige Thesen zur Gentrifizierung in Gaarden
- Wir leben im Kapitalismus mit seinen speziellen Mechanismen. Das heißt Gewinnmaximierung. Das gilt für Vieles, nicht nur auf dem Wohnungsmarkt
- Die Stadt Kiel möchte sicher eine Aufwertung und generell eine stärkere Durchmischung von armen und reichen Stadtteil. (Vgl. dazu auch Kiel und Neumünster: Arm und Reich leben getrennt voneinander
- Generell stimmen viele zu, dass Stadtteile wie Gaarden „abgehängt sind“ und wenn es weniger Differenz zwischen Arm und Reich gäbe, würde das manche Kritik entgegenwirken.
- Aber: Wenn Gaarden auch attraktiver wäre für Menschen mit höheren Einkommen, wird das zwangsläufig die Mieten erhöhen.
- Das Stadtbahn-Projekt wird in Zukunft die höchsten Mietsteigerung bzw. Attraktivierung bewirken.
- Ich rede hier also von einem Dilemma: Man kann nicht gleichzeitig die Verhältnisse beklagen und eine Besserung wünschen und gleichzeitig KEINE Verbesserung wünschen. Bzw: Ja klar, jenseits des Kapitalismus in einer besseren Welt kann es schönere Wohnungen und schönere Straßen auch zu geringerer Miete geben. Aber in dieser Welt leben wir leider nicht.
- Die Kulturrotation: Sie wird NICHT die erhoffte Aufwertung bringen. Sie ist nicht mehr als ein kleines Strohfeuer, ein kleines Highlight im Jahresverlauf, dass schneller vorbei ist, als es angefangen hat.
- Dazu kommt, dass auch hier, wie so oft in Kiel, die Künstler:innen zu schlecht bezahlt werden.
- Die Stadt Kiel hat weder Interesse an einer weiteren Verelendung Gaardens noch darin, dass hier massenweise Menschen aus dem Stadtteil vertrieben werden. Wenn jedes Jahr 1/3 wegziehen ist das eher Teil des Problems.
Unterm Strich denke ich, dass es wichtig ist, dass man im Stadtteil zusammenhält und das wir in Gaarden auch schauen, dass wir die Verhältnisse hier verbessern. Weil wenn Leute ständig wegziehen erhöhen sich auch die Mieten schneller und die Leute fangen gar nicht erst an sich zusammenzutun.
Daher wäre das Wichtigste, dass man gegen die Leute vorgeht, die entweder zu wenig für Gaarden tun oder die Verhältnisse hier ausnutzen für ihren privaten Vorteil. Ich finde aber die ganze Gentrifizierungsdebatte in dem Zusammenhang nicht hilfreich. Wenn sich verschiedene Projekte oder Geschäfte gegenseitig beschuldigen, an der Aufwertung schuld zu sein. In dem Diskurs gibt es keine Gewinner und man findet auch gar keinen Ansatz etwas zu verbessern.
Im Grunde sorgt man damit nur dafür, dass das, was in Gaarden schlecht ist, auch schlecht bleibt und hilft damit dann auch bestimmten Art von Hausbesitzer:innen oder Arbeitgeber:innen.
Ich wünsche mir da mehr Diskussion darum, was wir hier in Gaarden wollen. Und auch Forderungen zB an die Politik, was wir HIER wollen. Damit Verbesserungen nicht nur da entstehen, wo die Politiker:innen selber wohnen. Genau so wäre beinahe damals das Freibad Katzheide baden gegangen.
Aber da hilft es nicht in einfaches Gut/Böse-Schema zu verfallen. Es kommt auch dazu: Wer bestimmt, wie sich der Stadtteil weiterentwickelt? Wer hat überhaupt Wahlrecht und kann mitreden? Und wem werden Worte in den Mund gelegt?